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06.03.2024

Die Landwirtschaft ist in einer Sackgasse. 10 Akkupunkturpunkte zur Gesundung von Landwirtschaft und Ernährungssystem

Die noch immer anhaltenden Bauernproteste von Anfang 2024 zunächst gegen die Agrardieselsubventionskürzung deuten auf tiefer liegende Probleme des Ernährungssystems hin.

10 Akkupunkturpunkte zur Gesundung von Landwirtschaft und Ernährungssystem.

  1. Die Nährstoff-Ersatztheorie als Mineralstofftheorie, auf der die heutige so genannte konventionelle Landwirtschaft fußt, ist falsch (Erläuterungen s.u.). Das landwirtschaftliche System sollte auf ein mit-der-Natur umschwenken, anstatt weiter auf ein gegen-die-Natur zu setzen.
  2. Globalisierte Agrarmärkte gehen am Wesen der Landwirtschaft vorbei (Erläuterungen siehe unten). Für den Ernährungssektor sind die Grundsätze „Regional ist 1. Wahl“ und „Ernährungssouveränität“ wesensgemäß. Das „Agreement on Agriculture“ bei der Welthandels Organisation WTO sollte dementsprechend umgeschrieben werden (auch als Blaupause für alle anderen Freihandelsabkommen).
  3. Preise sollten die soziale und ökologische Wahrheit sagen, sonst kann die Marktwirtschaft den Umweltschutz nicht integrieren (Erläuterungen siehe unten). Von daher ist ein true cost - System zu etablieren. Nur dann werden entsprechende Verfahren entwickelt und können sich am Markt etablieren.
  4. Bauern brauchen auskömmliche Preise für ihre Erzeugnisse. Im Lebensmittelsektor sollte ein Qualitäts-, statt einem Preiswettbewerb herrschen. Billig-Preise unterstützen das Ruinieren unserer aller Lebensgrundlagen. Nur die (wirklich) bedürftigen Bevölkerungsgruppen brauchen Unterstützung z.B. in Form von Lebensmittelmarken (nicht alle anderen Bevölkerungsgruppen verbilligte Lebensmittel mit der Begründung (Ausrede), die Bedürftigen bräuchten diese). Die förmliche Konditionierung der Verbraucher auf den billigsten Preis über Aktionen des Einzelhandels ist zudem aufzugeben.
  5. (Langzeit-)Subventionen sind ersatzlos zu streichen. Lebensmittel zu erzeugen ohne die Umwelt zu schädigen, sei die Nulllinie. Nur darüber hinaus gehende Leistungen für den Natur- und Umweltschutz sollten mit öffentlichen Geldern honoriert werden.
  6. Die berufsständische Vertretung – der Deutsche Bauernverband und auf europäischer Ebene COPA – sollte sich auf ihre Kernaufgabe, bäuerliche Interessen zu vertreten besinnen und sich aus den Verflechtungen mit der Industrie entkoppeln. Diese Verflechtung hat die Landwirtschaft mit in die (desolate) Lage von heute hinein geführt (Erläuterung siehe unten).
  7. Um politisch-gesellschaftlich Lösungen aus dem ‚gesunden Menschenverstand‘ über Partei- und Klientelinteressen zu heben, sind Instrumente der konsultativen Demokratie wie Bürger- und Ernährungsräte zu stärken und ihre Ergebnisse verbindlicher als heute zu machen.
  8. Boden ist von seinem Wesen her Gemeingut (kein privates und kein öffentliches Gut). Exzessive Spekulation mit Boden ist ein Preistreiber und verstärkt die Kluft von Arm und Reich. Gemeingüter werden nach der Wirtschaftsnobelpreisträgerin von 2009, Elinor Ostrom am besten durch die Stakeholder verwaltet. Gemeinwohlorientierte Bodenträger wie Bodengenossenschaften sollten in den Agrarstrukturgesetzen Vorrang bei der Landvergabe eingeräumt werden, ähnlich wie bei den Wohnungsbaugenossenschaften in den Städten.
  9. Wir Menschen befinden uns in dem Kulturzustand der Intentions-Verhaltenslücke – wir wollen Manches, aber die Umsetzung gelingt uns oft nicht, oder nichts so (konsequent), wie gewünscht. Verbraucherumfragen fördern ein sehr viel höhere Bereitschaft in uns zutage, z.B. Ökolebensmittel zu kaufen, als wir es dann letztlich tun. Das Bildungssystems sollte neu verschiedene Elemente und Formen von „Willensschulung“ oder „Willensübung“ entwickeln und in den Lehrkanon integrieren.
  10.  Um das Ernährungssystem zu gesunden, bräuchte es einen neuen Gesellschaftsvertrag für Landwirtschaft (Erläuterungen siehe unten).

 

Den Text mit allen Erläuertungen können Sie hier abrufen.

Von Nikolai Fuchs, Landwirt und Agrarwissenschaftler, Mitglied im Stiftungsrat der Zukunftsstiftung Landwirtschaft

Foto: Nikolai Fuchs

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